Nordhalben im Frankenwald
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Nordhalben

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"Besser arbeiten als in der Stadt" im Nordhalben-Village

Was tun, wenn von 700 Industriearbeitsplätzen keiner mehr übrig ist und wenn die Einwohnerzahl in drei Dekaden um ein Drittel gesunken ist? Die Frankenwaldgemeinde Nordhalben setzt auf digitales Arbeiten und attraktives Wohnen ganz nah an der Natur.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau am .

Halgard Stolte hält inne vor ihrem Haus, atmet tief ein. Die Designerin ist viel in der Welt herumgekommen. Jetzt genießt sie mit flott schwingenden Walking-Stöcken den Weg über Bärwurzwiesen zur Arbeit.

Nordhalben Village: Ein Büro im ehemaligen Schulgebäude

Stolte hat ein Büro im "Nordhalben Village" gemietet – in einem ehemaligen Schulhaus. Noch vor zwei Jahren stand es leer. Der Verfall drohte. Jetzt wurde das wuchtige Sandsteingebäude für 1,6 Millionen Euro in einen modern eingerichteten Co-Working- und Co-Living-Space verwandelt.

In einstigen Klassenzimmern stehen nun Schreibtische. 50 digitale Arbeitsplätze mit schnellem Glasfaser-Anschluss an das Internet können ebenso angemietet werden wie acht komplett mit Küchen eingerichtete Apartments. Halgard Stolte hatte die Idee zu dem Projekt und führt jetzt die Geschäfte:

"Nordhalben ist ein Raum, wo junge Leute, gestandene Unternehmer und Unternehmerinnen herkommen. Die können hier eben Arbeiten und Leben in der Natur miteinander verbinden." Halgard Stolte, Designerin

Kreatives Miteinander nah an der Natur

Die 1.700-Einwohner-Gemeinde hat die Idee der zugezogenen Unternehmerin unterstützt und trotz knapper Kasse rund 400.000 Euro in das Projekt gesteckt. Der Freistaat Bayern, der Bund und die Europäische Union haben mit 1,2 Millionen Euro geholfen, dass der schrumpfende Ort am nördlichen Rand Frankens etwas hat, was weltweit immer mehr digital arbeitende Menschen suchen: ein kreatives Miteinander in ansprechender Umgebung.

Schicke Möbel und Stoffe, abstrakte großformatige Gemälde, ein Flügel für musikinteressierte Mieterinnen und Mieter sowie für Einheimische, die Klavierunterricht nehmen möchten. Die Nordhalbener sollen vom Village profitieren.

"Die Idee ist einfach, junge Leute an das Thema Software heranzubringen: Dass sie die Möglichkeit haben, hier vor Ort IT-Kurse zu nehmen und eigene Websites zu programmieren oder Spiele selbst zu programmieren." Halgard Stolte

Schrumpfung zumindest bremsen

Das "Nordhalben Village" heizen die Bürger genossenschaftlich und klimafreundlich über ihre Bioenergie-Dorfheizung. An deren Nahwärmenetz sind auch 42 weitere Häuser angeschlossen. Bürgermeister Michael Pöhnlein könnte sich vorstellen, dass klimafreundliche Energie - Sonne oder Windkraft – auch eine Chance für den Ort sein könnte. Alles mit Bürgerbeteiligung. Deren Engagement sei enorm wichtig.

Einer der größten Dorfläden in ganz Bayern

Der von der Bürgerinitiative NohA ins Leben gerufene Nordwaldmarkt wird von den Bürgern selbst erfolgreich als einer der größten Dorfläden Bayerns betrieben. Aus einem leer stehenden Geschäftshaus hat die Bürgerinitiative einen Künstlertreff namens "Max-Haus" gemacht, mit Atelier, Wohnungen und Ausstellungsraum. Aus ganz Deutschland und Europa kommen Künstlerinnen und Künstler, um dort zu wohnen und zu arbeiten. Am stillgelegten Nordhalbener Bahnhof sitzt Alfred Schwarzien und zeichnet mit Kohlestift alte Eisenbahnwaggons.

"Also es ist traumhaft, hier zu sitzen und die Atmosphäre einzuatmen. Ich habe festgestellt: Nordhalben ist ja ein Sackbahnhof, aber bei Weitem keine Sackgasse für den Ort. Hier ist der Zug noch lange nicht abgefahren." Alfred Schwarzien

Frischer Wind: Nordhalben wird bunter

Bildhauerin, Architekt, Musiker, Klavierbauer - ganz unterschiedliche Zuzügler machen Nordhalben bunter. Am Ortsrand bewirtschaftet etwa der Schweizer Chris Bumann mit seiner Firma "Rusticus" eine Permakultur-Fläche. Er hat ein Haus gekauft, macht Führungen für Touristen und versorgt 40 Abonnenten im Ort mit Bio-Gemüsekisten. Ein zugezogener Klavierbauer organisiert den Nordhalbener Kunstsommer. Das sind nur einige Beispiele.

Menschen wollen weg aus der "teuren, lärmenden Stadt"

Seit 2016 wurden 60 Häuser verkauft, allein 27 hat Bürgermeister Michael Pöhnlein vermittelt, kostenlos natürlich. Lehrgeld habe man auch bezahlt, denn Schrottimmobilien zu Schrottpreisen zögen unter anderem Menschen an, die für Nordhalben keine Bereicherung seien. Die meisten Anrufer und Interessenten wollen einfach weg aus der "teuren, lärmenden Stadt", so Pöhnlein.

Ein Ort mit Zukunftsperspektive

Mit dem "Nordhalben Village" erwartet der Bürgermeister "Zuzügler auf Zeit". Da werde der eine oder andere vielleicht für immer eine Bleibe im Ort finden. So wie die international tätige Design-Unternehmerin Halgard Stolte. In ihrem Büro im "Nordhalben Village" bespricht sie auf Englisch Projekte online mit einer Programmiererin in Aserbaidschan.

Nordhalben Village: "Besser arbeiten als in der Stadt"

Eine Mitarbeiterin arbeitet an einem der drei Schreibtische im ehemaligen Klassenzimmer der Nordhalbener Schule. Ihr Ausblick: "Wir können hier am Land besser arbeiten als in der Stadt, genauso effizient, dank schnellem Internet." Und die umgebende Natur gebe ihr einfach Kraft. "Von wegen Ende der Welt. Ich will hier nicht mehr weg."

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